Sri Lanka Dezember 2017
3.12.2017
Ich kenne unsere Christina, genannt Ti, seit dem Tag, an dem unsere Hana vor 23 Jahren zur Welt kam. Als ich
am Flughafen Dubai im Schichtdienst arbeitete, huetete sie Hana, spaeter Hana und Faris, und schmiss
meinen Haushalt. Waere sie damals in meiner schwierigen ersten Ehe und dann in der Trennungsphase nicht
bei mir gewesen, haette ich diese Zeit nicht durchgestanden. Als ich 1997 Dubai verliess und mit Josef nach
Deutschland zurueck ging, kam sie mit, war sechs Monate bei uns. Da wir jedoch ihr Visum nicht verlaengern
konnten, ging sie zurueck in die VAE, arbeitete fuer Freunde und Bekannte. Und als wir 2007 wieder nach
Dubei kamen, kam sie wieder zu uns zurueck und wohnte bei uns. Sie ist im Fruehjahr diesen Jahres nach 35
Jahren in den Emiraten nach Sri Lanka zurueck gekehrt. Als klar war, dass wir Dubai verlassen wuerden, habe
ich sie ueberzeugt, dass sie sich auch langsam zur Ruhe setzen muesse. Sie ist 54 Jahre alt, ein Jahr juenger als
ich, und hat immer sehr hart gearbeitet, bis zu fuenf Haushalte geputzt, Kinder gehuetet, eingekauft,
gekocht, gegaertnert. Sie hatte Angst vor diesem Schritt, aber ich habe sie ueberzeugt, jetzt zu gehen, so
lange sie ruestig ist und sich zuhause noch sozialisieren und etwas aufbauen kann. Nach diesen drei Wochen
bei ihr, denke ich, die Entscheidung war auf jeden Fall richtig. No place like home! Ich habe sie auch nie so
wenig ueber irgendwelche Gebrechen klagen hoeren wie in diesen drei Wochen. In Dubai ist sie immer
ausgesprochen psychosomatisch unterwegs.
Eigentlich wollten wir schon im August zu ihr reisen. Sie hatte sich jedoch ihrer ehemaligen Visa-Geberin von
Dubai, Zoe, verpflichtet, ihre Katzen fuer vier Wochen zu hueten, waehrend diese mit Mann in ihrem Haus in
Spanien weilt. Teurer Katzensitter: Ticket, Visum, und noch Dhs 2000 on top (ca. 450 EUR), wovon Christina in
Sri Lanka einige Monate leben kann. Dasselbe stand jetzt direkt nach unserer Reise ueber Weihnachten
wieder an, so dass Christina zwei Tage nach unserer Abreise ebenfalls nach Dubai flog, wieder fuer vier
Wochen. Und obwohl ihr diese Einsaetze irgendwie Spass machen (ist ja auch Klasse!), sie auch nicht wirklich
viel zu tun hat und socializen kann, jammert sie nun doch wieder seit ihrer Ankunft in Dubai ueber Schmerzen
und Verspannungen. Ausserdem reissen diese Abwesenheiten sie sehr aus ihrem Alltag zuhause, und es ist
dann wieder schwer, hinein zu finden. Aber naja, nachdem sie ansonsten keinerlei Einkommen hat, ist das
eine gute Sache.
Sind also am 28.11. ab Duesseldorf nach einer Woche bei Toechterle Simone, Alec und den Kindern mit der
OS ueber VIE nach CMB geflogen. Hatten in VIE sechs Std Aufenthalt und sind in die Stadt gefahren, dort bei
Temperaturen um 0 Grad herum ca 3 Std lang herum spaziert. In der Innenstadt Vorweihnachtsstimmung,
Buden mit allerlei Kruschtel, ueberall Touristen trotz der Kaelte. Die Fiaker-Kutscher finden wenig Kundschaft.
Moechten eigentlich in ein gemuetliches Cafe und eine typische Melange trinken. Am Ende gibt’s im Stehen
eine recht fettige Grillwurst und Gluehwein. Auch nicht schlecht.
Der Flieger ist voll, aber wir bekommen mit Glueck noch 2 Plaetze zusammen, und sogar in der C, sodass wir
einigermassen schlafen koennen. Landen ca 7:00 morgens am 29. in CMB, sind viel schneller raus als
erwartet, kaufen noch eine SIM-Karte und warten auf Ti. Sie hatte darauf bestanden uns abzuholen und
kommt mit Nachbar Ranjan und dessen Tuktuk. Er und seine Familie sind hier Tis Rettung; sie moegen sie
sehr und helfen ihr viel, sind auch danbar fuer die angenehme Nachbarschaft. Vor unserer Anreise hier
waren Ti, ihr Mann, Paul, und Ranjan noch fiebrig aktiv gewesen, damit auch ja alles recht ist, wenn wir
kommen. Ranjan hat noch hurtig, hurtig den Wohnzimmerfussboden mit der fuer hier typischen
bullenblutroten Lackfarbe lackiert, leiht Ti fuer uns Teller und Schuesselchen, sogar sein Sofa. Sie hat ihr
Schlafzimmer fuer uns geraeumt, uns ein wunderschoenes barbie-rosafarbenens Mosquitonetz ueber das
Bett gehaengt, und Paul musste noch einen Teil des Gartens einfrieden, um dort die Hunde einzusperren. Nur
gelang es nicht, sie einzufangen, so dass sie doch die ganze Zeit um uns herum tollten. Wir gewoehnten uns
jedoch rasch an die Meute und sie sich an uns.
Mittlerweile ist der vierte Tag vorbei, und wir haben uns so an alles gewoehnt, dass wir es recht gemuetlich
finden. Ihr Haeuschen ist recht gross, mit geraeumigem Wohn-/ Esszimmer, drei Schlafzimmern, wovon eines
im Moment noch Rumpelkammer ist, einem Bad im Haus mit fliessend Wasser, Dusche und westlichem WC,
einer weiteren westlichen Toilette draussen vom Hof aus zugaenglich und einer geraeumigen Kueche. Den
ehemals offenen Kamin mit Feuerstelle hat sie nach oben abdecken lassen und anstatt der Feuerstelle einen
Zweiflammengasherd. Vollkommen ausreichend. Die Kuechenschraenke aus Teakholz werden gerade
angefertigt und haetten eigentlich auch schon geliefert sein sollen. Aber sie hat eine schoene Arbeitsflaeche,
ein urspruengliches Billy-IKEA-Regal (Erbstueck von Mark aus Dubai), sowie einen Teil ihrer massiven
Ueberseekiste vom Umzug aus Dubai zur zusaetzlichen Arbeitsflaeche umgebaut. Es geht also wunderbar.
Hinter der Kueche ist draussen der Brunnen. Man kann mit dem Eimer Wasser hoch holen, aber es gibt auch
eine Pumpe, die Wasser in einen Tank auf’s Dach pumpt, so dass in Kueche und Bad fliessend Wasser ist,
wenn auch nur kaltes. Da die Pumpe jedoch Strom kostet, holt man fuer Vieles das Wasser direkt mit dem
Seil aus dem Brunnen.
Unser Schlafzimmer hat Ti liebevoll eingerichtet, und Ranjan hat vor der Haustuer noch ein Sonnensegel
gespannt, das allerdings bis gestern mehr als Regenschutz diente. Um Tis Haus herum ist das Dorf recht
zersiedelt, die Grundstuecke alle gruen und eingewachsen. Direkt neben ihr ist ein grosser Kokospalmenhain,
der leider kaum gepflegt oder abgeerntet wird.
Ti’s Grundstueck auf der anderen Strassenseite
Auf der anderen Seite des Durchgangsweges hat Ti noch ein bisschen Land, ca 30 perches (1 perch sind
25qm). Diese werden bisher noch wenig genuetzt, sind in recht chaotischer Anordung und vom Dschungel
bedraengt mit zwei Kokospalmen, die immerhin ca alle 3-4 Monate bis zu 30 Kokosnuesse abwerfen, ein paar
Bananenstauden, sowie sich wild verbreitenden Tapiokas beplanzt.
Die ersten Tage hat es viel geregnet, so dass wir sie im und um’s Haus verbracht. Josef betaetigte sich
handwerklich, ich half ihm und Ti kochte Curries fuer uns: Mango-Curry, Breadfruit-Curry, Jackfruit-Curry,
Bananenblueten-Curry,…. dazu crushed white rice oder red rice. Sind nur zum Einkaufen und, um eine
Bohrmaschine zu mieten, zwischen Pfuetzen durch die Reisfelder nach Miniwangode gelaufen.
Ausser Ti wohnen noch vier erwachsene Hunde im Hof und drei Welpen hinter’m Haus. Um das Haus herum
laufen Streifenhoernchen spazieren. Eines davon hat sein Nest aus Kokosfasern in den Dachbalken ueber Tis
Zimmertuer gebaut. Fegen jeden Tag eine Schaufel davon weg, denn das Dach ist offen, und es gibt keine
Zimmerdecken. Man guckt auf das nackte Eternitwellblechdach (ja, Asbest ueberall im Land!), was zunaechst
ungemuetlich und fabrikhallenartig wirkt.
Aber zwischen den Aussenmauern und dem recht weit ueberhaengenden Dach ist ein ca 20cm breiter Spalt,
so dass die Luft zirkulieren kann und im Haus immer ein kuehles Lueftchen weht. Als wir zuerst ankamen,
dachte ich, man muesste der Behaglichkeit halber unbedingt Decken einziehen. Aber die Konstruktion macht
Sinn, erstens wegen des o.g. kuehlen Lueftchens und, zweitens, weil sich sonst auf der Decke allerhand Getier
ansiedeln und alles mit Kot verschmutzen wuerde. Wie schon so oft, stellte ich fest, dass man eine Weile in
einem Land gewesen sein muss, um zu verstehen, was wie und warum gemacht wird. Setzt man seine
Massstaebe aus dem eigenen Umfeld an, stellt man bald fest, dass es hier unpassend ist und nicht
funktionieren wuerde. Und diese durchlaessigen Haeuser haben einen weiteren schoenen Vorteil: Es ist ein
wenig wie Dauerzelten. Man hoert alle Umgebungsgeraeusche, als wuerde sich das Leben direkt neben dem
eigenen Bett abspielen: frueh morgens die unendlich vielen verschiedenen Vogelstimmen, das freundliche
Gebrabbel der zum Leben erwachenden Nachbarschaft, das Swisch-Swisch der fegenden Besen, nachts das
Schuppern der Hunde unter dem Fenster, in der Ferne die Gesaenge der buddhistischen Moenche.
(Waehrend ich dies schrieb, landeten die plappernden so genannten „Seven Sisters“, eine recht
unscheinbare, ca. amselgrosse, sandfarbene Vogelart, die tatsaechlich immer zu siebt auftritt, im Hof und
badeten in einem Blumentopfuntersetzer, der zu diesem Zweck immer mit frischem Wasser gefuellt wird.)
Paul lebt noch in Piliyandale. Die beiden sind seit 30 Jahren verheiratet, haben jedoch nie zusammen. gelebt.
Sie haben keine Kinder, aber Ti hat ihm immer Geld geschickt, und er hat das letzte Mal gearbeitet, als Hana
zur Welt kam. Sie ging einmal im Jahr fuer maximal zwei Wochen nach Hause, kam jedes Mal krank wieder,
und die beiden wurden sich immer fremder. Insofern habe ich gut verstanden, dass sie nicht zu ihm ins Haus
zurueck kehrte, sondern sich etwas Eigenes geschaffen hat. Nun freut es mich, zu sehen, dass sie sich
langsam annaehern. Er braucht fuer die relativ kurze Strecke vier Stunden und mehr mit dem Bus, kommt
aber treu und redlich mindestens einmal die Woche fuer eine oder zwei Naechte. Wir hoffen, dass er ueber
kurz oder lang sein Haus in Piliyandala und noch zwei weitere Grundstuecke anderswo verkauft und zu Ti
zieht, damit sie sich gegenseitig haben.
Paul und Ti in Negombo – Teepause
Gestern war das Wetter besser, und es hat uns rausgedraengelt. Ranjan fuhr uns und Ti nach Negombo, eine
chaotische Fischerstadt mit 70 – 80% Christen. Wir schauen uns das Wenige angeschaut, das es dort zu sehen
gibt. In der groessten Kirche, der St. Mary’s Cathedral, ist gerade Hochzeit. Alle Beteiligten huebsch
aufgebrezelt: die Damen in schillernd bunten Saris, heftig geschminkt, die Braut drall im weissen
Hochzeitskleid mit langer Schleppe. Von der Kirche aus laufen wir Richtung Meer. Am Strand sind auf einer
weiten Flaeche grosse Sisalmatten mit zum Trocknen ausgelegtem Fisch ausgebreitet.
Am Rand sind ein Mann und eine Frau damit beschaeftigt, Fisch mit Salz einzureiben und in einen Bottich zu
schichten, wo sie ihn drei bis vier Tage liegen lassen, dann das Salz abwaschen, um ihn auf den Sisalmatten zu
trocknen.
Von dort laufen wir weiter ueber den Gemuesemarkt, dann den Trockenfischmarkt, bis zur langen Lagune,
die Negombo einen sicheren Hafen bescherte und in der Kolonialzeit seine Bedeutung als Hafenstadt und
Warenumschlagsplatz begruendete. Sri Lanka war bei den Kolonialmaechten sehr begehrt: Erst kamen die
Portugiesen (1500 – 1650), dann die Hollaender (1650 – 1800), schliesslich die Englaender (1800 – 1950).
Spuren der diversen Eroberer sieht man noch heute ueberall in Form von Forts, alten Haeusern, Orts- und
Strassennamen, und nicht zuletzt den so genannten Burgers. Ti betont auch immer wieder, halb Buerger zu
sein. Das heisst, dass in ihren Adern ein wenig portugiesisches, hollaendisches oder englisches Blut fliesst.
Unser Ansinnen auf dieser Reise ist es vor Allem, Ti zu sehen und ihr ein wenig moralische Unterstuezung und
praktische Hilfe zu geben. Ich haette viele Ideen, was man hier noch alles machen koennte: Eine Veranda an
der Vorderseite des Hauses waere schoen. Ein gepflasterter Weg zwischen Hoftor und Haustuer mit
Rasenflaeche aussenrum waere toll. Ein neues Tor waere faellig. Ein zusaetzliches Raeumchen als
Rumpelkammer waere sehr gut, damit man die jetzige als Schlafzimmer moeblieren kann. Zunaechst dachte
ich auch, es waere gut, die Dusche im Bad abzugrenzen, damit beim Duschen nicht alles unter Wasser steht.
Aber nach ein paar Tagen hier stellte ich fest, dass es besser ist, wenn alles unter Wasser steht, weil man es
dann mit dem Gummischaber ruck-zuck wieder trocknen kann und auf diese Weise alles Getier, was sich im
Laufe eines Tage im Bad ansiedelt, mit dem Wasser weg gefegt wird. Ein Kollektor fuer warmes Wasser waere
nicht schlecht. Und man muesste die gegenueber liegenden Grundstuecke, vom Dschungel befreien,
vielleicht noch ein Haeuschen bauen, das man als B&B an Touristen vermieten kann. Es wuerde uns nicht
langweilig werden hier.
Heute haben wir mit Paul auf den Grundstuecken gegenueber stundenlang geschuftet, Baeume geschnitten,
von Hand zerhaechselt und zu einem Komposthaufen geschichtet; Paul hat mit einer kleinen Handsense in
der Hocke viele Quadratmeter von Grass und Rankepflanzen befreit. Die Leute haben sich sehr gewundert.
Wir sind ohnehin schon wie zwei „weisse Elefanten“ oder „bunte Hunde“ hier um Dorf. Und dann malochen
wir auch noch!
Heute frueh sind wir ein wenig spazieren gegangen, haben auf einem Grundstueck ein Weilchen einem
Mann mit einer Motorsense zugeschaut, und bevor wir zurueck waren, hatte Ti schon einen Anruf von ihrem
Klempner erhalten, dessen Frau und Tochter wir offenbar begegnet waren; er informierte sie, dass wir uns
nach der Motorsense erkundigt haetten. Aha! Die Buschtrommel funktioniert.
Ab heute soll das Wetter mindestens fuer eine Woche schoen werden. Wir moechten mit Ti fuer ein paar
Tage in das „Hill Country“ nach Kandy in der Inselmitte fahren. Aber dazu spaeter.
Wir sind hier im Einzugsgebiet Colombos; es leben hier 25% der Gesamtbevoelkerung Sri Lankas, naemlich 5
Mio Menschen. Dennoch gibt es ausserhalb der Staedte und Doerfer keine Muellabfuhr. Zwar stehen ueberall
schoene Schilder mit „DO NOT LITTER“, aber wohin mit dem Muell? Also verbrennen die Leute alles, was
uebrig bleibt, wie auf den Philippinen, wie in vielen Laendern der Dritten Welt, hinter ihren Haeusern. Leider
sind auch sie nicht vom „Plastiksegen“ der Industrienationen verschont. Bei Ti haeufen sich mittlerweile
einige Tueten Muell, und wir wissen nicht recht, was tun. Nach vielem Nachfragen bei den Nachbarn stellt
sich heraus, dass in Miniwangoda entlang der Hauptstrasse wohl der Muell abgeholt wird. Wir werden es mal
ausprobieren und das eine oder andere Tuetchen dort abstellen. Vielleicht waere das die Loesung fuer Ti:
jedes Mal, wenn sie ins Dorf geht zum Einkaufen, nimmt sie eine Tuete mit und stellt sie unauffaellig zu den
anderen. Es gibt nicht einmal die Recycling-Muellsammler wie in Dubai, die sich mit dem Verkauf von
Kartonagen und Blechdosen Geld verdienen. Es gibt hier ausserhalb der Stadt, trotz der recht dichten
Besiedelung, auch keine Klaeranlage, nur Sickergruben, mit der Vorschrift, dass zwischen Brunnen und
Sickergrube mindestens 50 Fuss, ca 17m, liegen muessen. Habe Zweifel, dass das bei Ti der Fall ist, und wenn
ja, dass das ausreicht. Alles Wasser wird abgekocht und nur geschaeltes Obst und gekochtes Gemuese
gegessen.
On the positive side: Es ist herrlich, hier aufzuwachen. Die unendliche Vogelstimmenvielfalt, das Licht, die
Waerme, die Vegetation, die vielen verschieden schillernden Schmetterlinge im Garten, das nette
Geschnatter der Nachbarn, die Streifenhoernchen, die auf dem Dach trappelnd Fangen spielen, leises
Geklapper in der Kueche neben uns. Man begruesst sich ueber die deckenlosen Zimmerwaende hinweg:
„Good morning, Ti!“ „Good morning, Rita and Arbab!“ Sie hoert uns ueberall im Haus und wir sie.
Gestern haben Paul und Josef an dem kleinen zementierten Hof zwischen Kueche und Brunnen ein
Maeuerchen gemauert, damit nicht bei jedem Regen die Erde vom darueber liegenden Beet vor die Kueche
gespuelt wird. Ich konnte nicht viel beitragen. Mein vor 8 Wochen operierter Fuss schwillt in der Waerme wie
3 Wochen nach der OP. Selbst morgens direkt nach dem Aufstehen ist er dick. War wenigstens mit Ti vorn an
der Kreuzung zur Hauptstrasse und haben nach Guthaben fuer’s Handy geschaut.
5.12.2017
Letzte Nacht haben uns die Welpen wachgehalten. Ihre Mutter versteht nicht, dass sie bei ihnen bleiben
muss, hat keine Lust, sie zu saeugen; also haben sie die ganze Nacht nach ihr geschrien. Die arme Ti war ganz
aufgeloest heute frueh. Hoffe, die werden bald von Leuten adoptiert. Sonst springen hier demnaechst 7
Hunde herum. Jedenfalls hat Ti nach dieser Nacht verinnerlicht, dass man die beiden Huendinnen sterilisieren
lassen muss.
Heute frueh und hat uns der freundliche Ranjan nach Gampaha zum Bahnhof gebracht. Sind mit Ti 5 – 6 Tage
unterwegs. Der Zug ist herrlich. Tuckert mit sehr gemaechlichen 60 km/h, so dass man viel Zeit hat,
die Landschaft zu bewundern.
Zunaechst waren wir in Pinnewala im Elephant Orphanage, der Touristenattrraktion Sri Lankas schlechthin.
Sind schon um 12:30 angekommen und haben ueber das Handy eine nette Unterkunft direkt gegenueber
vom Orphanage gefunden. Nicht so gemuetlich, aber dafuer sauber und neu. Haben dann fuenf Stunden bei
den Dickhaeutern verbracht. Sehr beeindruckend, diese riesigen Saeugetiere. Besonders das Baden im Fluss,
wo man sie lange und ausdauernd und aus relativer Naehe beobachten kann, hat mich richtig beruehrt. Sie
werden mitten durch das Dorf vom Orphanage zum Fluss und wieder zurueck begleitet.
Hana und Faris waren mir ihren Klassen aus Dubai schon hier, meine Kollegen aus Dubai waren im Rahmen
eines Regional Meetings, das ich organisiert, an dem ich jedoch nicht teilgenommen habe, schon hier. Und
ich hatte es immer auf meiner Liste. Es hat sich gelohnt. Herrlich – fast 50 Elefantenkuehen und Kaelbern in
einer Herde in beinahe nautuerlicher Umgebung zuzuschauen.
Unser Wirt empfahl uns danach noch zum Sonnenuntergang einen Spaziergang zur nahe gelegenen Bruecke
ueber den Fluss. Was ein Spektakel! Vor Sonnenuntergang hingen Tausende von Fledermaeusen in den
Baeumen im Flussbett. Dafuer bezogen unzaehlige Graustoerche, Kormorane, Kuhreiher und viele andere
Voegel in den Baeumen im und am Fluss ihr Nachtquartier. Kurz vor Dunkelheit flog die erste Fledermaus mit
einer Spannweite von ca einem Meter ueber unsere Koepfe hinweg. Zoegerlich kam die naechste, dann noch
eine, dann gleich mehrere. Und schliesslich flogen Aberhunderte ueber unsere Koepfe hinweg alle in dieselbe
Richtung davon. Welch ein Schauspiel!
Danach haben wir gerade eben noch in zwar gepflegter Atmosphaere draussen sitzend, aber teuer und nur
maessig gut gegessen. Die Koeche hier koennen nur Curries und Rotis. Alles andere ist schlecht imitiert.
6.12.2017
Haben heute lange am Fruehstueckstisch gesessen. Es gab Srilanki und Continental. Rice hoppas mit DalSauce und Coconut Sambal, parallel dazu leckeres getoastetes Weissbrot mit Butter und grell-rosa
Marmelade ungewisser Herkunft. Nach dem Fruehstueck haben wir noch einen Spaziergang durch bewaldete
Grundstuecke und Reisfelder gemacht, in der Ferne der Kartoffelberg, so heisst er auf sinhali, weil er
tatsaechlich aussieht wie eine ueberdimensionierte, von einem Riesen in die Landschaft geworfene Kartoffel.
Auf seinem nackten Ruecken thront ein weiss leuchtende Stupa. Waere sicher eine wunderschoene
Wanderung dort hoch; ist jedoch mit meinem dauerhaft geschwollenen Fuss nicht dran zu denken. Gott sei
Dank hat Ti ein paar Sandalen in Groesse 38 uebrig, Erbstuecke von der guten Agneta, eine ihrer
Arbeitgeberinnen in Dubai, eine Schwedin. Da passt mein Fuss gut rein. Ohne sie waere ich recht verloren
gewesen auf dieser Reise.
Checken aus und fahren nach Rambukkane zum Bahnhof zurueck, dem wir gestern ausgestiegen sind.
Bewundern noch das Stellwerk aus der britischen Kolonialzeit und tuckern dann mit dem Bummelzug durch
stetig bis auf 500 m ansteigende spektakulaere Landschaft nach Kandy.
Finden mit dem Tuktuk das Madugalle’s Friendly Family Guest House, das in unserem Reisefuehrer als Kandy
Inn verzeichnet und als Antiquitaetensammlung beschrieben ist und das ich vorgestern telefonisch gebucht
habe. Es ist ein altes Haus, eingeklemmt zwischen den Gleisen und einer der laermenden, stinkenden
Hauptverkehrsadern durch Kandy. Aber als die Tuer hinten uns schliesst, umfaengt uns daemmrige, friedliche
Stille. Es fuehlt sich an wie eine Oase, alles ein wenig dunkel, die obligatorische, hier dunkelbraune
Bodenlackfarbe, alte, schwere, dunkle Moebel, eine ganze Wand mit der Ahnengalerie des Eigentuemers. Die
Dame des Hauses, Mrs. Madugalle, in einen schoenen Sari gehuellt, spricht ein feines und gepflegtes
britisches Englisch mit dem typischen Akzent der Sri Lankis, neben sich stets ihre sehr alte Mutter im weissen
Sari, sanft laechelnd. Die Familie wohnt im unteren Stockwerk. An einer Galerie im oberen Stockwerk, nach
oben offen zum Himmel, nach unten offen zum Kuechen- und Flurbereich des Erdgeschosses, liegen 5
Gaestezimmer, jeweils mit Bad. In der Mitte ist ein schoener ueberdachter Freiluftsitzplatz, umgeben von
Blumentoepfen und huebschen Bildern.
Unser Dreibettzimmer ist einfach aber voellig adaequat. Bekommen als Willkommenstrunk einen sehr
gepflegten Tee aus feinstem srilankischen Porzellan und ziehen dann in die Stadt. Gleich schraeg gegenueber
ist das Trinity College, eine der aeltesten, aus der britischen Kolonialzeit stammenden Eliteschulen. Leider
duerfen wir das Gelaende nicht betreten, weil heute, wie im ganzen Land, eine wichtige Zeremonie zum
Schuljahresende stattfindet (das Schuljahr endet hier zu Weihnachten): das so genannte Prize Giving, bei dem
Schuelern fuer besondere Leistungen und Verdienste Preise verliehen werden. Auf der Strasse das uebliche
Verkehrschaos der anarchischen Busse, die mit unglaublich lautem Gehupe und hinter sich stinkende
Abgaswolken verbreitend, durch die schmale Strasse donnern, dazwischen, wie Ameisen zwischen Elefanten,
die Tuktuks mit ihrem Getroete, kleine Lieferwagen und einige Privatfahrzeuge, Fussgaenger, die sich
todesmutig ins Getuemmel werfen, um die Strasse zu ueberqueren, oder, um in einen nur verlangsamenden
Bus oder Tuktuk zu springen. Wir laufen auf der Parallelstrasse Richtung Zentrum und Kandy Lake, da es hier
nicht ganz so wild zugeht. Der Kandy Lake wurde schon vor ueber 1000 Jahren von den Kandy-Koenigen als
Stausee geschaffen, die Briten haben ihn dann verkleinert, als die Stadt wuchs und Wohnraum geschaffen
werden musste.
Wir laufen an der Uferpromenade zwischen dem See auf der einen und der wichtigsten buddhistischen
Staette Sri Lankas, dem Zahntempel, auf der anderen Seite, wo angeblich eine Zahnreliquie des Lord Buddha
liegt. Der See wirkt ein wenig wie die norditalienischen Seen, umgeben von Bergen. Allein der grosse Sitzende
Buddha, strahlend weiss am gegenueberliegenden Berghang sitzend, erinnert, wo man ist. Zwei grosse
Warane liegen am Ufer, Enten schnattern, nahe dem Ufer tummlen sich Hunderte von Karpfen und an einer
Stelle eine Fischart, die aussieht wie riesige Kaulquappen.
Unser Ziel ist eigentlich der Britische Garnisonsfriedhof, aber uns laeuft die Zeit davon, weil um 17:00 im
Cultural Center in der gleichen Ecke eine der taeglichen Auffuehrungen des Kandy Dance stattfindet – wohl
ein Muss. Der Saal ist voll, und es folgt eine recht kurzweilige und laute, einstuendige Auffuehrung
verschiedener Taenze, gepaart mit Akrobatik und recht spektakulaeren Kostuemen. Es tanzen Maenner und
Frauen. Der Ursprung war wohl, dass einer der Koenige von Kandy vor langer, langer Zeit unter einem ewig
wiederkehrenden Albtraum litt, in dem er immer wieder von einem einaeugigen Tiger gefressen wird. Als
eine Gruppe von Taenzern durch Kandy zog und mit ihren Taenzen den Albtraum verscheuchte, entstand
hieraus diese Tradition, erst jahrhundertelang nur von Maennern aufgefuehrt und meist nur innerhalb des
Tempelgelaendes. Seit die Zahnreliquie nach Kandy gebracht wurde, findet einmal im Jahr eine tanzende
Prozession statt, deren Mittelpunkt ein prunkvoll geschmueckter Elefant ist, auf dessen Ruecken in einer
Saenfte der Zahn durch die Stadt geschaukelt wird. Haette doch eigentlich ein bisschen was Erhabeneres sein
koennen: Ein Auge, oder der Schaedel, oder so etwas… Unter britischer Herrschaft starb die Tradition – war
denen wahrscheinlich doch zu heidnisch – wurde dann aber nach deren Abgang wiederbelebt und
irgendwann als Touristenattraktion, nun auch mit Taenzerinnen und Saengerinnen, fuer die Buehne
adaptiert. Die Taenze und Kostueme sind dennoch nach historischer Vorlage und haben alle eine wichtige
religioese Bewandnis. Es ist also nicht einfach eine Zirkus-Show. Zum Schluss werden alle Zuschauer
aufgefordert, sich vor der Buehne um ein grosses Blechbecken mit gluehender Holzkohle zu scharen. Ueber
diese laufen dann zwei Maenner immer abwechselnd. Ich kann dem nichts abgewinnen, aber es zeugt wohl
von ganz besonders inbruenstigem Glaube. Meinetwegen.
Wir laufen im Dunklen zurueck zu unserem Quartier bei Mrs Madugalle und sitzen gemuetlich auf unserer, oh
Wunder, mosquitofreien Terrasse. Die schlafen wohl schon.
Es faellt hier in Kandy auf, dass die Menschen recht huebsch sind und, dass sie viel haeufiger gut Englisch
sprechen als z.B. unten in Miniwangoda, Pinnewala oder Negombo. Das hat sicher mit der langen Dominanz
der Briten zu tun, die ob des angenehmeren Klimas lieber hier oben in den Bergen lebten als unten an der
Kueste.
8.12.2017
Gestern sind wir nach Peredenya in den Botanischen Garten etwas ausserhalb Kandys gefahren – eigentlich
mehr Ti zuliebe. Sie war 1993 einmal mit Paul dort, nachdem sie ihn lange darum gebettelt hatte. Es war sehr
schoen und hat sich total gelohnt. Der Park ist schon seit dem 12. Jahrhundert ein Park der Kandy-Koenige
gewesen und wurde unter den britischen „Super Intendents“ immer mehr ausgestaltet. Erst nach dem
Abdanken der Briten uebernahm ein Sri Lanki die Leitung des Parks.
Wirklich schoen. Imposante, riesige, uralte Baeume, 40 Meter hohe Bambusstauden, Palmenalleen,
schnurgerade wie griechische Saeulengaenge.
Und es gab einen gepflegten Tee am „Great Lawn“ mit herrlichem Blick. Als wir zurueck sind in Kandy, reicht
es noch fuer einen Besuch am Britischen Garnisonsfriedhof. Friedhoefe sind immer spannend, weil sie einen
guten Einblick in die wechselvolle Geschichte einer Stadt geben. Dieser hier wirkt wie aus der Zeit gefallen. Er
war nicht allzu lange in Gebrauch, nur von ca 1815 bis 1890. Die meisten „Bewohner“ sind mit unter 30
Jahren gestorben – wahrscheinlich an allerlei Tropenkrankheiten, davon viele kleine Kinder. Was muss es
beschwerlich gewesen sein zu jener Zeit! Es ist ja selbst heute noch sehr rueckstaendig. Wie dann damals?
Mitten auf dem Friedhof ein Kaefig, viel zu klein, mit um die 20 Affen darin. Als Ti den Waerter danach fragt,
sagt er erst im Scherz, sie wuerden gegessen. Als sie entsetzt reagiert, korrigiert er sich rasch und erklaert,
die Affen kaemen in Scharen aus dem darueber liegenden Naturpark und ueberschwemmten den darunter
liegenden Zahntempel regelrecht, staehlen alles, was nicht angenagelt ist, einschliesslich der Opfergaben und
der Messingdekoration. Deshalb wuerde man sie einfangen, um sie moeglichst weit weg in einem anderen
Stueck Dschungel auszusetzen.
Wir landen danach mehr zufaellig im Hotel Casamara in der Parallelstrasse zu unserer Unterkunft, jedoch
recht nah am Candy Lake, auf der Dachterrasse in einer Bar. Der Ausblick waere bei Tageslicht ganz sicher
grandios gewesen. Aber auch jetzt am Abend ist es gut. Bestellen vegetarische Curries, die sie erst ein wenig
widerwillig, dann jedoch in umso groesseren Portionen aus dem unten liegenden Restaurant hoch bringen.
Heute ist Programmpunkt das Naturschutzgebiet Udawathakele direkt bei Kandy. Haetten gern einen der
richtigen Nationalparks besucht, Elefanten und Voegel und noch viel mehr gesehen. Aber mit meinem
Hinkefuss und angesichts unserer begrenzten Zeit – haben ja bei Ti auch noch das einen oder andere vor –
wird das dieses Mal nichts. Ist aber sicher nicht unsere letzte Reise. Der Udawathakele ist nun die kleine
Loesung, und unsere vierstuendige Wanderung ist mehr ein ausgedehnter, entpannter Spaziergang und
erinnert ein wenig an den Schoenbuch bei Neuenhaus – nur, dass hier, anstatt Buchen und Eichen, Teak-,
Mahagoni-, Brotfrucht-, und Jakbaeume und oberschenkeldicke, endlose Lianen, seltsame Fruechte und im
Teich, anstatt Enten, Schildkroeten anzutreffen sind, und dass die Vogelstimmen exotischer klingen und
immer mal wieder Affenhorden die Baumwipfel durchschuetteln. Aber auch hier Fussspuren von
Wildschweinen und Rehen. Von den Letzteren sehen wir auch zwei – eine dunkelbraune Variante.
Nach unserer Wanderung erstehen wir noch in einem der Hardware Stores mitten in Kandy eine
Metallarmatur fuer Tis Kueche, um das „flimsy“ Plastikteil an ihrere Spuele zu ersetzen; in einem Teeladen,
zugestellt mit riesigen Teekisten, kauft Josef losen Tee fuer die naechsten hundert Jahre, und noch so dies
und das gekauft. Gehen dann noch einmal in unsere Unterkunft zurueck, ruhen ein bisschen auf der Terrasse
und lesen und fahren dann mit dem freundlichen Tukutukfahrer unserer Wirtin auf die andere Seite des
Kandy Lake oben in den Huegeln zur „Slightly Chilled Bamboo Lounge“. Die habe ich im Reisefuehrer
gefunden und find, das klingt ganz gut. Ist es auch. Eine schoene Dachterrasse ueber Kandy, sehr westliche
Klientel (viele, die hier leben, ist mein Gefuehl), zwei junge Maenner, die schoene Livemusik machen, und
ausser den Kellnern beinahe die einzigen Sri Lankis sind. Eigentuemer sind ein Englaender und seine
chinesische Frau. Das Lion-Bier aus den 1-Liter-Flaschen schmeckt uns gut. Als wir nach 22:00 Uhr nach Hause
kommen, oeffnet uns Mrs. Madugalle in einem Nachthemd aus viktorianischer Zeit: bodenlang und mehrere
Lagen aus Baumwollspitze.
10.12.
Gestern stand auf dem Programm nur noch der Zahntempel, einer der wichtigsten buddhistischen Tempel Sri
Lankas. Auf dem Weg dorthin und um den Tempel herum ueberall Laeden, wo man sich mit Devotionalien
(Buddhas in allen Groessen, zu jedem Preis und aus allen erdenklichen Materialien) und Opfergaben
eindecken kann. Unser Reisefuehrer sagt, Buddha habe zu Lebzeiten eine Liste der Dinge verfasst, die man
tun muss, um rascher ins Nirvana zu gelangen, hierzu gehoere, die Moenche und Kloester zu beschenken,
was nun rechte Blueten treibt: In den Laeden werden Paeckchen geschnuert, bestehend aus einer
orangefarbenen Robe, Essgeschirr, und so dies und das. Die uebergibt man dann im Tempel. Sie kosten um
die 3000 – 4000 Rupien, was ca 17 – 23 EUR entspricht – richtig viel Geld.
Ansonsten gibt es Lotusblueten, Schuesselchen mit Jasminblueten, Nahrungsmittel, fertig gekochte Speisen.
Die Moenche sehen alle entsprechend wohlgenaehrt aus. Christina erzaehlt uns, dass viele regelmaessig fuer
die Moenche kochen und die dann auch ihre Vorlieben nennen: Nein, bitte kein Huhn; ja, bisschen schaerfer;
bloss keine Brotfrucht-Curries,… Alles bissel mittelalterlich und nach Ablasshandel stinkend. Aber naja,…Das
Opium der Massen eben.
Dieser Tempel ist deshalb so wichtig, weil hier ein angeblich vor fast 2000 Jahren bei der Einaescherung
Buddhas stibitzter Zahn seine vorerst letzte Ruhestaette gefunden hat – wobei der Begriff Ruhestaette relativ
ist. Denn gestern war Samstag, der Tag, an dem alle Doerfler aus ganz Sri Lanka angepilgert kommen: Eine
Voelkerwanderung in Weiss. Erst muessen wir durch eine Sicherheitsschleuse, da sich zu Zeiten des
Buergerkrieges mit den Tamilen jemand dort in die Luft gesprengt hat. Der Metalldetektor hat wohl schon
vor Langem seinen Dienst aufgegeben, steht nur noch zur Deko da. Alle muessen ihre Schuhe ausziehen,
bevor sie das Tempelgelaende betreten – auch wir. Fuer unsere Schuhe gibt es ein bewachtes Regal fuer
Auslaender – die wuerden wohl sonst verschwinden, weil sie meist teuer, zumindest aber anders aussehen,
als die Tausende von Schlaeppchen. Anschliessend schlurfen wir mit Myriaden von anderen durch den
Tempel. Hier und das sitzen mitten im Gewuehle Grueppchen von Menschen auf dem Boden, andaechtig ins
Gebet vertieft. Zentrum des Tempelgelaendes ist der Aufbewahrungsort der Reliquie mitten im groessten der
Gebaeude. Er wird dreimal am Tag ausgewickelt und der Oeffentlichkeit gezeigt. Aussen herum liegen
diverse Gebaeude, u.A. eines mit Fotos vom guten alten Raja, dem Tempelelefanten, und er selbst
ausgestopft hinter Glas. Er war der Tempelelefant, der 50 Jahre lang die Ehre hatte, den Zahn waehrend der
grossen Prozessionen in einer Saenfte auf dem Ruecken durch Kandy zu kutschieren. In einem weiteren
laenglichen Glasbau, an ein Gewaechshaus erinnernd, sind der ganzen Laenge lang – wie in einer katholischen
Kirche Kerzen – mehrstufig Talglichter, gespendet von den Glaeubigen, auf Metallstaendern. Ferner gibt es
den sogenannten New Shrine, in dem anschaulich auf Englisch und Singalesisch und huebsch bebildert,
gespendet von der Bank of Ceylon, die wechselvolle Geschichte des Zahns geschildert wird. Er wurde
naemlich immer mal wieder entwendet, dann wurde ihm an dem jeweils neuen Aufbewahrungsort ein
Tempel geweiht, bis er dann wieder entwendet wurde. All die Tempel, wo sich der Zahn irgendwann einmal
befand, sind nun also die wichtigsten religioesen Staetten. Im Hinausgehen schlendert der derzeitige
Tempelelefant vorbei. Er hat wohl eine Verdauungstoerung und verziert den herrlich weiss gepflasterten Hof
mit einem mehrere Quadratmeter abdeckenden Diarrhoefleck. Die Glaeubigen schauen kurz etwas
befremdet und ratlos, aber es gehoert offenbar dazu, und niemand echauffiert sich.
Kleine Pause auf dem Tempelgelaende
Nach diesem spannenden und anstrengenden Ausflug gehen wir noch einmal zurueck zu unserer
freundlichen Mrs. Madugalle, trinken in der angenehm kuehlen und abgedunkelten Atmosphaere ihres stillen
Empfangszimmers noch einen gepflegten Tee aus ihrem kostbaren Porzellan. Sie erzaehlt uns, die
Schwiegermutter habe ihnen das Haus vererbt mit der Auflage, es nie zu verkaufen. Jeder, der nachher
versuchte, Teile des Hauses zu verkaufen, starb oder wurde zumindest sehr krank!
Die Eisenbahner streiken seit zwei Tagen, weil die Regierung unqualifizierte Kraefte einstellen moechte und
sie um ihre sicheren Stellen bangen. Recht haben sie. Wir wissen nun nicht, ob ein Zug faehrt, und Mrs.
Madugalle’s freundlicher Tuktukfahrer bringt uns zunaechst zum Bahnhof, der jedoch verriegelt und
verrrammelt ist. Hier wuerde heute also nix mehr gehen. Er bringt uns zum Busbahnhof, wo wir uns mit allen
anderen in eine enge, heisse, daempfige, rappelvolle, von srilankischen Schlagern beschallte,
Sardinenbuechse quetschen. Immerhin haben wir Sitzplaetze. Aber nach 3,5 Stunden ist es dann auch genug.
Im Gang stehen nochmal mindestens 30 Leute, so dass kaum ein Lufthauch durch die gedraengten Leiber
dringt – der Farhrkartenverkaeufer schafft es dennoch; keine Ahnung, wie. Auf den Baenken fuer 3 kleine,
zarte Menschen sitzen sie zum Teil zu fuenft plus Gepaeck. Was sind wir froh, als wir endlich in der Stille vor
Tis Haus stehen, wo man nur die Dschungelgeraeusche, das Fiepsen der Welpen und ab und zu ein Tuktuk
hoert. Die Zugfahrt war deutlich angenehmer!
10.12.2017.
Morgens kommt ein Kokosnusspfluecker vorbei. Die Nachbarin, Svubodani, sagt Ti Bescheid, weil sie schon
lange auf einen wartet. Ehe ich meine Kamera zuecken kann, ist er die 10 – 15 m hoch geklettert, schneidet
insgesamt fast 30 Kokosnuesse herunter und ist ruck-zuck wieder unten. Bei der Gelegenheit erzaehlt uns die
andere Nachbarin, dass am Tag vorher ein dorfbekannter Drogi von einem der Baeume neun Stueck geklaut
hat. Laut Ti war dies schon das vierte Mal! Sie hatte ihn schon konfrontiert, ihm gedroht, was ihn alles nicht
beeindruckt hat. Ich bin der Ansicht, wir muessen zur Polizei gehen. Wir gehen sowieso ins Dorf, weil wir
auch zum Tierarzt wollen, um zu fragen, wie eine Sterilisierung der beiden Huendinnen moeglich waere. Wir
gehen also auf der Polizeiwache in das erstbeste Buero. Gleich am Eingang links unter einer Treppe ist eine
kleine Zelle, mehr ein Verschlag, wo etwa sechs junge Maenner herum lungern. Sie sehen nicht sehr leidend
aus, muessen grinsen bei unserem Anblick. Wir werden von einem Buero zum naechsten geschickt, sitzen
schliesslich in einer grossen, recht leeren Amtsstube auf Wartestuehlen an der Wand. Uns gegenueber an
drei Tischen, nebeneinander gestellt wie eine lange Tafel, huebsch gedeckt mit karierten Decken, darueber
transparentes Wachstuch, sitzen zwei Polizisten und eine Polizistin, vor sich Buerger, die etwas zu beklagen
hatten, und schreiben mit Schoenschrift in grosse blaue Buecher. Nichts geht weiter. Irgendwann
verschwinden zwei der Beamten wortlos. Minuten spaeter taucht ein anderer auf und weist uns an, die
Warteschlange zu verlassen und ihm zu folgen. Auf der Rueckseite des Gebaeudes sitzt Sergeant Was-weissich und tut sehr wichtig. Unglaublich, wie fehlende Hautfarbpigmente auf die Menschen hier wirken – als sei
die Kolonialzeit noch immer nicht vorbei. Er versprach also, sich zu kuemmern um den Kokosnussdieb. Wir
folgen dem Beamten wieder zurueck in die grosse Amtsstube, wo er umstaendlichst und in Schoenschrift,
immer abwechselnd mit einem roten und einem blauen Kuli, eine ganze Seite in seinem riesigen Buch mit
unserer ach so wichtigen Geschichte fuellt. Nebenbei erklaert er uns, man werde den Mann jetzt mal fuer
vier Monate ins Gefaengnis setzen. Aha. Einfach so. Ja, er habe kuerzlich eine Kuh verkauft, die ihm gar nicht
gehoerte. Aha. Als er fertig ist mit Schreiben, fragt er Christina, was sie denn nun tun sollen: zu ihm gehen
und mit ihm sprechen oder gar nichts. Haeh? Wir bestenden darauf, dass Uniformierte zu ihm gehen und ihn
konfrontieren. Als wir wenig spaeter zum Einkaufen durch das Dorf laufen, klingelt Christinas Handy, und die
Polizei fordert, dass sie ihnen zeige, wo sie wohnt und dann mit ihnen gehe zum Delinquenten. Christina
mutmasst, dass sie sehen wollen, wo und wie sie wohnt, und ob es bei ihr was zu holen gaebe – zumal wir
Bleichgesichter ja bei ihr sind, was gleichbedeutend mit Wohlstand ist. Das Vertrauen in die staatlichen
Instanzen ist nicht eben ausgepraegt. Ihr ist gar nicht wohl bei der Sache, und sie hat mehr Angst als
Vaterlandsliebe. Sie sagt den Polizisten, sie werde nicht mit ihnen gehen. Irgendwann passt uns eine
Motorradstreife auf der Strasse ab – wir sind ja unschwer zu erkennen, und wir schicken sie mit Nachdruck los
zum Dieb. Wahrscheinlich passiert dem guten Mann gar nichts.
In der einen Tierarztpraxis wird uns dann gesagt, dass der Veterinaer erst in ein paar Wochen wieder da sei.
Wir geben es auf fuer heute. Endlich sind wir wieder zuhause. Josef und ich ziehen Arbeitskluft an und
machen uns daran, hinter der Kueche das vom hoeher gelegenen Nachbargrundstueck, dem
Kokospalmenhain herueberwachsende Dickicht zu lichten, denn sein Gewicht hat schon den Grenzzaun zu Ti
hinunter gedrueckt. Es ist sehr heiss und schwuel, das Gestruepp stachelig. Aber wir schaffen gut die Haelfte.
Am fruehen Abend kommt ein Schreiner, der auch Ranjans Veranda gebaut hat, um fuer Ti eine Veranda
auszumessen und uns am naechsten Tag ein Angebot zu machen.
11.12.
Heute hat Ti Geburtstag. Sie geht morgens um 6:00 mit Swubodani zum Altersheim, um dort Speisen als
Almosen abzugeben. Auch dies ist Teil nicht nur der christlichen, sondern auch der buddhistischen religioesen
Pflichten. Ti erklaert uns, jeder, der was spenden will, trage sich fuer ein Mahlzeit pro Jahr in eine Liste ein.
Das fertige Essen wurde mitgenommen und verteilt: Milchreis, Kuchen und Bananen zum Fruehstueck. Ti
erzaehlt uns spaeter, die Spender seien am Ende oft zu faul, etwas zuzubereiten und braechten stattdessen
einfach eine Geldspende, was aber den alten Leutchen nichts bringt, weil man ja Geld nicht essen kann.
Ablasszahlung – sag ich ja. Josef und ich spazieren waehrenddessen ein bisschen durch die Nachbarschaft,
stibitzen ein paar huebsche Blueten und decken den Geburtstagstisch, so, wie Ti es in Dubai immer fuer uns
gemacht hat. Hanas Geburtstag haben wir dafuer dieses Jahr verpasst. Dafuer singen wir Ti ein Staendchen.
Unsere Mission fuer heute ist es, einen Tierarzt fuer die Sterilisierung der einen Huendin zu finden. Nun
bekommen wir einen Termin fuer den darauffolgenden Donnerstag und fragen uns, wie wir diese
Hundedame, ein Strassenhund, der keine Leine kennt und noch nie in einem Fahrzeug sass, je ins Tuktuk
bekommen wuerden. Die zweite Mission fuer heute ist es, mit Ti’s Landtiteln, also Grundbucheintraegen, zum
Anwalt zu gehen, um einmal alles zu sortieren. Das ist filmreif: Mitten in Miniwangoda ein kleines Buero,
vollgestellt mit fuenf Schreibtischen und ein paar Blechschraenken, mit vielen Menschen in und vor dem
Buero. Wieder bewirkt unser fremdes Aussehen, dass alle sofort wissen wollen, was wir wollen. Die
Anwaeltin ist jung, freundlich und geduldig, wie eigentlich alle Menschen hier. Was ein Chaos in Tis Papieren.
Bin gespannt, ob wir das auch noch alles geregelt kriegen.
Gestern ist ein Tuktuk durch die Nachbarschaft gefahren und hat lautstark Werbung fuer einen
Pflanzenmarkt gemacht, der fuer ein paar Tage hier sein soll. Gehen also nach der Anwaeltin dorthin, und Ti
ersteht einen Neem-Tree, Josef eine Pfefferpflanze. Er macht einen Deal mit Ti, dass die Haelfte der Ernte
ihm gehoeren wuerde. Klar, sagte Ti, unter der Bedingung, dass er persoenlich kommt und seinen Anteil
abholt. Das ist doch ein netter Grund, immer wieder zu Ti zu fliegen.
Wieder zuhause ziehen Josef und ich wieder Arbeitsklamotten an und machen uns daran, den Garten
aufzuraeumen. Finden lauter kleine Dreckelecken mit Muell, Schutt, etc. Schaffen alles, was noch brauchbar
ist, hinter das Haus und buendeln es in einer Ecke, machen, oh, Graus ein Feuer und verbrennen Plastikmuell,
Styroporplatten, etc. Alles andere packen wir in kleine Beutel, um es nach und nach in Miniwangoda
heimlich, still und leise zu den anderen Muellbeuteln an die Strasse zu legen. Dort wird es wohl abgesammelt,
wurde behauptet.
Abends kommt der Verandabauer, um sein Angebot abzugeben: 130.000 Rupien, was ca EUR 760 entspricht,
inklusive Betonbodenplatte, Dach und Saeulen. Das klingt in EUR nicht viel, ist jedoch hier ein kleines
Vermoegen. Sri Lanka ist nicht billig. Heide hatte uns vor der Reise gebeten, Ti von ihr 200 EUR zu geben. Wir
legen noch was drauf, so dass die Veranda praktisch unser Geburtstagsgeschenk fuer sie wird.
Ein Kind aus der Nachbarschaft hat den schwarzweissen Welpen abgenommen. Gott sei Dank. Nun sind nur
noch die zwei sandfarbenen da. Wir hofften instaendig, sie werden auch Abenhmer finden, bevor wir wieder
abreisen – zumal auch Ti 2 Tage nach uns nach Dubai reist, um wieder fuer vier Wochen Zoes Katzen zu
hueten.
Eben ist Paul gekommen. Er hat 4,5 Std fuer 40km Luftlinie gebraucht. Der Arme. Er kommt oft zweimal pro
Woche.
12.12.
Heute Nachmittag hat es nach einer Woche zum ersten Mal ca 1,5 Std lang heftig geregnet. Alles ist wieder
reingewaschen. Es ist ca 18:00, Ti steht in der Kueche und kocht Kleinstmengen verschiedener GemueseCurries. Man haeuft sich den Reis in die Tellermitte und gruppiert die Curries, jeweils einen Essloeffel, um den
Reis herum, so dass man nachher so eine Art Miniaturbuffet auf dem Teller hat. Sehr lecker, schoen scharf
und mit Sicherheit sehr gesund. Habe ihr gerade eine der kuerzlich geernteten Kokosnuesse mit so einer
genialen Vorrichtung in der Kueche ausgeschabt. Einen Vorrat Kokosraspel fuer Coconut Sambal, einer
Mischung aus den Raspeln, Ziebeln und frischem Chili – wird zum Curry gereicht. Auf dem Dach toben die
Streifenhoernchen, rennen hin und her, trommeln mit ihren Fuesschen auf dem Wellblech.
Der schwarzweisse Welpe ist noch immer bei seinen neuen Eigentuemern. Gott sei Dank. Die Mama, ich habe
sie ob ihres Rehgesichts Bambi genannt, ist jetzt viel ruhiger, laesst die anderen beiden in Ruhe trinken. Sonst
hat sie immer nur im Stehen gesaeugt und ist nach einer Minute oder gar weniger wieder gefluechtet, die an
ihren Zitzen haengenden Welpen hinter sich her ziehend. Jetzt saeubert sie sie, zwickt ihnen das Ungeziefer
aus dem Fell, leckt sie ab. Vorhin hat die Grossmutter einen der Welpen weg gebissen – sie moechte ihre
Ruhe haben. Da hat sich Mutter Bambi dazwischen geworfen, sich aber sofort auf den Ruecken gelegt, um
einerseits ihr Junges zu schuetzen, andererseits ihre Unterwerfung zu demonstrieren. Irre! Sozialstudien kann
man da betreiben.
Die Nachbarin mit zwei der Welpen
Nachdem Paul gestern Abend kam, hatten wir zu viert noch eine recht anstrengende Diskussion, die uns alle
die ganze Nacht beschaeftigte: Ti hat Paul 35 Jahre lang Geld geschickt, und er hat zuletzt vor ueber 20 Jahren
einen formalen Job ausgeuebt. Die Gruende hierfuer waren ein wenig undurchsichtig. Einmal nahm er einen
Job nicht an, weil er zu frueh haette aufstehen muessen („I have to break rest.“); einmal wurde ihm gesagt, er
sei zu alt; wer weiss…? Naja, er hat feinmenanische Sachen gemacht, Radios, Uhren und Fernseher fuer die
Leute im Dorf repariert, aber nie richtig Geld eingefordert dafuer. Jetzt kann Ti ihre Arbeit in Dubai nicht
mehr ausueben, da sie koerperlich am Ende ist. Eine Rente beziehen beide nicht. Jedoch hat Paul in drei bis
vier Busstunden Entfernung, in Piliyandala, ein Haus mit Grundstueck und dann noch anderswo zwei
Grundstuecke. Er moechte nichts davon verkaufen, jedenfalls nicht so richtig, und das, obwohl er sich um die
beiden Grundstuecke ueberhaupt nicht kuemmert, so dass sich andere diese ersessen haben. Er tut nichts
dagegen, pendelt nun alle 2 Tage auf und ab, Ti gibt ihm Geld fuer die Arbeit, die er hier um’s Haus macht,
kocht ihm zu essen und gibt ihm noch Essen mit. Irgendwann sind ihre Ersparnisse aufgebraucht. Sie will auch
nichts verkaufen, um zu ihm zu ziehen. Beide haben Angst, ihre Eigenstaendigkeit aufzugeben. Dabei
koennten sie vom Verkauf nur eines der Grundstuecke schon einige Jahre lang leben. Und sie muessen nicht
fuer Kinder vorsorgen, nur fuer ihren eigenen Lebensabend – wobei Paul schon fast 70 ist, also eigentlich
mitten drin im Lebensabend. Naja, wir haben ihnen das vorgerechnet; es ist ihre Entscheidung. Jedenfalls
waren wir nach diesem Gespraech alle genervt, sind auch heute frueh damit im Kopf aufgewacht, und als
Josef vorschlaegt, dass wir mal fuer ein paar Stunden allein verschwinden, machen wir uns sofort auf den
Weg nach Miniwangoda, kaufen dort beim Schmid eine neue Sichel fuer Ti, die von Josef, mit seinem
omanischen Turban behaftet, sehr viel Erstaunen und Belustigung hervorruft. Er sieht ein bisschen aus wie
Abraham mit Hirtenstock und kurzer Hose.
Downtown Miniwangoda
Ach ja, wir haben als Testlauf mal 2 Tueten Muell mitgenommen und in Miniwangoda an die Strasse gelegt,
wo die Muellabfuhr, bestehend aus einem Mann mit einem Handkarren, wie ein Ochsenkarren. Einwandfrei!
Dann kaufen wir noch fuer Swubodani schoene Porzellanschuesselchen, nachdem wir, erstens, eine der von
ihr geliehenen zerdeppert haben und sie, zweitens, Ti sowieso ihren halben Hausstand geliehen hat fuer
unseren Besuch, und sie uns, drittens, immer wieder irgendwelche Koestlichkeiten ueber die Mauer reicht.
Dann fotografiere ich fuer Tis Veranda noch ein paar Saeulen, damit sie weiss, was sie in Auftrag geben will.
Bei einem der Haeuser kommt Stanley heraus, ein erstaunlich hoch gewachsener Sri Lanki und der mal fuer
ein paar Jahre in der Schweiz in einem Hotel gearbeitet hat und noch immer ein bisschen Deutsch kann.
Nehmen dann noch einen Tee und ein Roti in einer elendig schmuddeligen Kaschemme zu uns.
Als wir dann versuchen, auf Schleichwegen zurueck zu Ti zu gelangen, um dem endlosen, stinkenden und
lauten LKW-Bus-Tuktuk-Konvoi auf der Durchgangstrasse auszuweichen, verlaufen wir uns ein bisschen
zwischen Reisfeldern und weitlaeufigen Grundstuecken und machen einen recht grossen Umweg. Auf dem
Weg begegnet uns Ranjan im Tuktuk und dann noch der Veranda-Schreiner. So langsam sind wir integriert.
Sind platt, als wir nach Hause kommen. Paul ist am Dschungellichten gegenueber als wir kommen, macht
aber zur Teatime Pause. Sitzen, wie immer am Tag, draussen unter dem Sonnensegel, und die Welpen
knabbn an unseren Zehen. Es schuettet kurz aus Eimern, und Paul macht anschliessend weiter. Josef fuellt
nach einer kurzen Siesta das neu geschaffene Beet und die Blumenkuebel mit Erde von draussen neben der
Strasse auf.
Noch am Abend beschliessen wir, morgen frueh mit Ti zum Land Registry Department nach Negombo zu
fahren, um die Titel-Nummer eines ihrer Grundstuecke in Erfahrung zu bringen. Am Morgen fragt uns Paul,
was wir so vorhaetten heute. Offenbar hat Ti ihm das nicht so richtig erklaert. Er ist wohl davon ausgegangen,
dass die beiden die Tour machen – was ja gut ist, weil es zeigt, dass er sich zustaendig fuehlt. Fahren
letztendlich alle gemeinsam mit dem Bus, da nur Paul singhalesisch kann, um Formulare auszufuellen und zu
lesen (Ti kokettiert ein wenig damit, dass sie nur Englisch lesen und schreiben koenne, sie sei ja schliesslich
Burger. Ich sage ihr im Laufe der drei Wochen xmal, sie muesse auch singhalesisch lesen und schreiben
lernen, jetzt, da sie hier fest lebt. ), wir aber vielleicht mit unserer unterpigmentierten Haut die Dinge ein
wenig beschleunigen koennen. Und, oh Wunder, es klappt alles! Keiner will Schmiergeld, keiner haelt uns hin,
und wir muessen zumindest fuer diesen Vorgang auch nicht noch einmal kommen. Haben ruck-zuck unsere
Titelnummer und suchen dann in den umliegenden Hardware-Laeden nach der „Stecknadel im Heuhaufen“,
naemlich einer ganz bestimmten Schraube mit Mutter. Ist nix, aber ich finde sie dann spaeter in Tis Fundus,
und ihr Fundus ist wirklich reichhaltig und vielfaeltig. Jetzt verstehen wir auch, warum sie in Dubai alles, aber
auch wirklich alles, was wir und andere in Dubai entsorgen wollten, aufgehoben und mitgebracht hat. Man
kann hier einfach alles gebrauchen. Jeder Stofffetzen, jeder krumme Nagel, jedes kurze Draehtchen, jeder
zerbrochene Stein ist noch fuer irgend etwas gut und nuetzlich.
Wir trinken noch einen Tee und zuckeln mit dem Bus zurueck. Dann folgt noch ein kleiner Arbeitseinsatz. Paul
kaempft noch ein bisschen gegen den Dschungel auf Tis Grundstueck gegenueber, Josef stutzt die zweite
Haelfte des vom Palmenhain herueber wachsenden Dschungels, und ich macht ein paar Naeharbeiten fuer Ti.
Hierzu sitze ich am offenen Hoftor, beaufsichtige die zu verkaufenden Kokosnuesse, weise alle vorbei
tuckernden oder laufenden auf unser Schild „Welpen zu verschenken“ und auf die Kokosnuesse hin. Bin zwar
nicht sehr erfolgreich, aber es ist sehr unterhaltsam, hier zu sitzen. Ti kocht zwischenzeitlich fuer uns.
14.11.
Heute ist es soweit: Die „alte Dame“, also die Grossmutter der Welpen kommt unter das Messer und wird
sterilisiert. Paul versucht bis zum Schluss, es zu verhindern. Er findet den Gedanken, Tieren Leid anzutun,
unertraeglich. Aber Ti weiss, dass sie demnaechst wieder einen Wurf Welpen hier hat, wenn sie nichts tut.
Und die Grossmutter will nichts wissen von Welpen: ihr letzer Wurf hat, bis auf Bambi, nicht ueberlebt. Der
Tuktukfahrer kommt peunktlich, und, oh Wunder, die Grossmutter laesst sich klaglos auf Tis Schoss zum
Tierarzt fahren, leistet auch kaum Widerstand, als wir sie auf den OP-Tisch setzen. Bis auf ein paar Blutspuren
vom vorherigen Patienten sieht alles ganz manierlich aus, und Grossmutter uebersteht die Prozedur so gut,
dass sie am darauffolgenden Tag schon wieder frisst und auch mit den anderen Hunden herum laeuft. Na,
Gott sei Dank! Wenn Bambi ihre Jungen los ist, muss sie da auch noch durch. Hoffen, Ti kriegt das ohne uns
gegen Pauls Widerstand hin!
Wir draengen Ti tagelang, ihre Freundin Arangani her zu zitieren. Ti hatte, waehrend sie in Dubai war, ihre
drei Stueckchen Land auf Aranganis Namen gekauft und spaeter alle auf sich selbst uebertragen lassen. Ein
weiteres Stueckchen war noch auf den Namen der Freundin im Grundbuch eingetragen, und es gibt Grund
zur Annahme, dass es vielleicht besser sei, das auch sofort auf Ti ueberschreiben zu lassen. Es ist eine jener
unsaeglichen Geschichten von Betrug, Ausnuetzen und Dummheit…. Endlich also bequemt sie sich her, und
wir treffen sie bei der netten Anwaeltin in Miniwangoda. Die Ueberschreibung klappt, aber wir muessen nun
morgen noch einmal nach Negombo zum Land Registry Department, um irgendeinen Zettel zu holen, und um
zu verhindern, dass das Ganze nicht zu einem endlos ueber Whatsapp zu bejammernden Projekt wird.
Arangani, Ti, die junge Anwaeltin und ich in Tis uebergrossen Sandalen
Gleich nach dem Besuch bei der Anwaeltin kuemmern wir uns wieder um ein paar Dinge zuhause: ich haenge
Bilder auf, Josef schafft den letzten Schandfleck im Garten, einen Sandhaufen, hinter das Haus. Paul hat
zwischenzeitlich mit einer Eternitplatte eine Luecke im Zaun zum oberen Palmenhain hin, durch das die
Hunde immer nach oben kraxeln und dabei Erde mit herunter reissen, verschlossen. Er versteht nicht, dass
das Zeug hochgiftig ist und es ausserdem nicht besonders dekorativ ist, wenn im Garten ueberall Bauschutt
verteilt ist.
15.11.
Eigentlich sollten seit Tagen Tis Kuechenzeile vom Schreiner kommen: eine massangefertigte TeakholzEinbaukueche. Wir waren vor ein paar Tagen beim Schreiner, um ein bisschen Druck aufzubauen, und er soll
also heute um 10:00 kommen. Er kommt natuerlich nicht und verspricht nach Tis Anruf, am Nachmittag zu
kommen. Also nuetzen wir die Zeit und fahren wieder zum Grundbuchamt nach Negombo. Auch diesmal
klappt alles wie am Schnuerchen, und wir sind rechtzeitig zurueck. Als wir zurueck kommen, proetteln wir
alle ein bisschen im und ums Haus herum, bis die Kuechenbauer kommen. Die bauen natuerlich endlos und
bis nach Dunkelheit herum bis alles passt, und die arme Ti kann nichts kochen. Eigentlich wollen wir ihren
ganzen Kuechenkram noch aus der Rumpelkammer umraeumen in die Kueche, aber das wird dann auch
nichts. Daraufhin beschliessen wir, sobald die Kuechenmaenner fertig sind, essen zu gehen und auch Ranjan
und seine Frau Swubodani einzuladen. Daraus wird dann Ranjan, sein Sohn, seine Frau, deren Mutter und
Schwester. Das Lokal ueber der Tankstelle gleich an der Hauptstrasse, gibt es nicht mehr. Hatte keiner
mitbekommen, aber der freundliche Tankwart, der versonnen auf das Restaurant guckt, als saehe er zum
ersten Mal, dass es geschlossen ist, kennt noch eines ca 3km die Strasse runter. Nachdem wir nun aber zu
acht sind, passen wir ja nicht in Ranjans Tuktuk. Ranjan wirft kurzerhand Schwaegerin und Schwiemu raus
und will erst uns hinbringen. Nach wildem Hin- und Hergerenne und Diskussion laedt er die beiden Damen
und mich schliesslich ein und bringt uns. Wir warten vor dem Lokal auf die anderen und versuchen, uns zu
verstaendigen. Sie: „You baby?“(Hast du Kinder?) Ich: „Yes 5 baby. And 5 baby baby (Also Enkel). Ich ernte
Bewunderung. Weiss ja keiner, dass ich hochstapele und drei der Kinder und die fuenf Enkel nicht mein
Verdienst sind. Ranjan kommt wieder und hat alle anderen in sein Tuktuk gestopft (Presspackung). Setzen
uns wiederum nach langem Palaver draussen auf die Terrasse des recht ansprechenden Paradise Resort und
ueberlassen Ranjan die Bestellung. Es gibt vier verschiedene Gerichte, die alle gleich aussehen und gleich
schmecken, jedoch nicht halb so gut sind wie die Hausmacher-Curries. Aber unsere Gaeste erfreuen sich
daran und Ti wiederum freut sich, dass wir ihre Wohltaeter ein bisschen verwoehnen. Der Kellner laesst so
ziemlich alles fallen, was er in die Hand nimmt, ist jedoch sehr freundlich und bemueht.
16.11.
Heute ist Mamas Geburtstag und unsere Abreise. Wir sitzen im Ek-Flieger nach Dubai, wo wir uns ein wenig
erholen wollen von den 3.-Welt-Strapazen. Wir sind ziemlich zerstochen, mein Fuss dauergeschwollen, meine
Toleranzgrenze fuer Dreck (nicht bei Ti, aber ueberall sonst) erreicht, und Tis Geplapper war dann selbst fuer
mich genug (fuer Josef schon vor knapp drei Wochen). Gestern Abend wurden wir noch zum kroenenden
Abschluss von riesigen fliegenden Kakerlaken heimgesucht, so dass ich unter das Mosquitonetz ins Bett
fluechtete.
Wir haetten uns noch lange bei Ti verweilen koennen: Die Zaeune um Tis Land muessen alle neu gezogen
werden, das Unkraut gerodet, Kokospalmen, Tapioka, Bananen und Gemuese gepflanzt werden. Ihre
Dachbalken muessen ausgetauscht und das Dach mit einer Regenrinne versehen werden. Die
Regenwasserdrainage aus ihrem Garten heraus funktioniert nicht, so dass bei Regen alles unter Wasser steht.
Vor der Kueche waere ein erhoehtet Glattstrich gut. Das Tor muss repariert werden….. Never-ending! Es ist
auch alles eine Frage des Geldes. Und wir moechten ihr nicht zu viel abnehmen. Das waere das falsche Signal,
und sie wuerde es auch gar nicht wollen.
Im Nachhinein denke ich, wir haben den Zweck der Reise wirklich erfuellt. Wir konnten ihr mit Vielem helfen,
und es war auch gut, Paul naeher kennen zu lernen. Wir sind jetzt ruhiger, haben das Gefuehl, dass sie ganz
gut aufgehoben ist dort, dass Paul und sie sich auch naeher kommen werden in naechster Zeit. Und wir
werden ganz sicher recht bald mal wieder hin reisen.
Dubai war dann ein richtiges Kontrastprogramm zu Miniwangoda: Die Dekadenz, der zur Schau gestellte
Reichtum, die glitzernden Shopping Malls… Aber es hat Spass gemacht. Waren wieder im Ramada Jumeira in
Satwa, was noch am ehesten dem alten Dubai aehnelt, wie ich es vom Anfang der 90’er Jahre kenne. Haben
meine Kollegin Owie und ihren Mann Dave und ihre Tochter Kye am Flughafen getroffen, dann spaeter
Sophia und Ahmed im Creek Golf Club, am Tag drauf Kirsten im Souq Al Bahar mit Blick auf die Fontaenen.
Josef hat noch Elisabet und Pedro von Thyssen getroffen. Das Highlight war eine Wanderung mit Jasmin und
Diyaa durch die Wueste zum Fossile Rock mit anschliessendem Abendessen im Qasba-Viertel in Sharjah. Das
hat dann auch gereicht an Socializing! Ansonsten haben wir den American Eagle ein bisschen leer gekauft
fuer Weihnachtsgeschenke, unsere Gewuerz- und Nussvorraete vom Jam’iya in Mizhar aufgefuellt, Josef war
wieder beim indischen Friseur in Satwa, der ihn vom Waldschrat wieder in einen zivilisierten Menschen
verwandelt hat, und wir haben noch einen Abend im „City Walk“ verbracht, jener nagelneuen Flaniermeile,
der das schoene dorfartige Gebiet am Defense Roundabout zum Opfer gefallen ist. Mehr Glitter, mehr
Laeden, mehr Restaurants, immer dasselbe.
Der Rueckflug, eng gepfercht in der Eco auf der LH war anstrengend, aber ging auch irgendwie vorbei.
Tolle Reise alles in Allem und nach unserem Geschmack.